Das Jahr 2020 war ein sehr intensives Jahr auf der Straße für mich. Hierzu folgt in den kommenden Tagen ein weiterer Blogpost, in dem ich das Jahr 2020 Revue passieren lasse. Heute gibt es aber schon mal meine persönliche Top 10 meiner Streetfotos. Die Auswahl einiger Bilder fiel mir sehr leicht. Sich am Ende dann doch auf nur 10 Fotos zu beschränken, war ziemlich schwierig. Ich hätte locker eine Top 15 oder sogar Top 20 machen können. Meine Idee war es aber, mich soweit wie möglich auf Fotos zu einigen, die für mich persönlich wirklich herausstechen. Zu jedem Bild gibt es die Geschichte hinter dem Bild inklusive der Informationen über den Ort und das Entstehungsdatum, sowie die kamerainternen Daten zum Objektiv, Blende, Verschlusszeit und ISO.
Platz 10:
Dieses Foto entstand am Hauptbahnhof in Hannover. Über den Treppenaufgängen zu jeweils zwei Gleisen ist eine Brücke mit Milchglas gespannt, wo die Passagiere über den Treppenaufgang herlaufen können. Dieses Foto erinnert mich an ein Business-Meeting. Tatsächlich traf sich hier aber ein Pärchen. Als sie sich näher kamen, umarmten sie sich und standen mit ihren Füßen in enger Pose sehr lange zusammen. Auch dieses Foto fand ich super, doch das oben gezeigte Bild lässt für mich mehr Raum für Interpretationen, weshalb ich dieses ausgewählt habe.
Platz 9:
Im Sommerurlaub in Südtirol war ich an verschiedenen Tagen in der kleinen Stadt Brixen zum Fotografieren unterwegs. Als erstes fiel mir der alte Herr mit dem Hut auf. Dann sah ich, dass sein Pullunder zur Wandfarbe passt. Die alte Tür passte für mich super ins Bild. Ich machte zunächst einige Bilder von ihm, sowohl im Hoch- als auch im Querformat, als plötzlich die ältere Dame von rechts ins Bild trat. Ich drückte mehrmals auf den Auslöser und dieses Foto ragte heraus. Die Mimik der beiden Personen sowie das Tragen der Masken unter dem Kinn bei beiden machte das Bild für mich besonders. Ebenso der nachdenkliche Blick des alten Herren. Dieses Foto wurde bei den ND-Awards in der Kategorie "Special - Street Photography" als Honorable Mention ausgezeichnet.
Platz 8:
Ende Februar war ich in meiner zweiten Heimat Köln unterwegs. Ich war noch ganz frisch in der Straßenfotografie und hielt mich an der S-Bahn Haltestelle "Hansaring" auf. Dort entdeckte ich das große Artwork an der Wand. Dies war an sich schon ein Bild wert. Als ich die Person auf dem Gleis sah, versuchte ich sie irgendwie mit dem Hintergrund in Verbindung zu setzen. Zunächst stand sie mit dem Rücken zu mir und alle Kompositionen waren okay, hauten mich aber nicht vom Hocker. Als sich die Person jedoch nach rechts drehte, um auf den einfahrenden Zug zu schauen, komponierte ich das Bild schnell so, dass die rote Linie auf dem Artwork in den Eingang der Kapuze "lief" bzw. aus ihr heraus. Dies lässt vielerlei Interpretationsmöglichkeiten zu. Ich wusste auf Anhieb, dass das Bild super geworden ist.
Platz 7:
Dieses Foto entstand in der Nähe des Fischmarktes in Hamburg im Gebäude einer Sparkasse. Es ist ein viel fotografierter Spot für Straßenfotografie. Dennoch wollte ich eines für mein Portfolio haben. Da ich an dem Tag schon einige Kilometer in den Beinen hatte, machte ich hier eine Pause. Zunächst saß nur die junge Frau am Fenster, was für sich genommen auch schon ein tolles Fotomotiv darstellte. Dann kam der Herr in der Mitte dazu, der immer mal wieder am Fenster stand oder an der Reling zum Hafen. Die dritte Person rechts kam als letztes ins Bild und komplettierte die Szene für mich. Er schien auf einen Freund zu warten, um zusammen Sport zu machen, denn er wärmte sich vor der Glasfassade minutenlang auf. Ich schoss bestimmt 60 oder noch mehr Bilder von der Szenerie. Dieses Bild hatte auf mich jedoch am Ende die größte Wirkung.
Platz 6:
Anfang Oktober war ich mit Dennis Gloth gemeinsam für eine Nacht in Berlin unterwegs. Am ersten Tag nach unserer Anreise mit der Bahn, begaben wir uns nichtsahnend zur East Side Gallery. Dort entstand dieser "Glücksshot". Ich sah das Wandbild, welches in der Breite noch viel mehr zu bieten hat. Unter anderem ist dort eine weitere Person mit Sprechblase aufgemalt. Meine Intention war es, eine vorbeigehende Person so abzulichten, dass es ausschaut, als würde die Sprechblase aus ihrem Mund kommen. Somit konzentrierte ich mich voll und ganz darauf. Als eine Gruppe von drei Frauen kam, drückte ich mehrmals den Auslöser. Ich traf genau den Moment an der Sprechblase am Mund der Frau startete, allerdings stand die zweite Person mit dem Körper komplett vor dem Inhalt der Sprechblase. Ich war zunächst enttäuscht. Als ich mir das Bild zu Hause dann am PC ansah, fiel mir auf, dass die dritte Person (die auf dem Bild oben) perfekt zur gemalten Frau im Hintergrund passte. Sie schaute auch noch in die Kamera. Bei der Bildbearbeitung musste ich das Bild so zuschneiden wie oben zu sehen. Dieses Foto stellte sich also erst hinterher als "Perfect Match" heraus.
Platz 5:
Ich habe dieses Foto "Under my umbrella" getauft. Entstanden ist es im Sommer, als ich für zwei Nächte nach Amsterdam gefahren, nur um Streetfotos zu machen. Am ersten Tag bin ich von meinem Hotel, welches in der Nähe des Museumsviertels war, ohne Plan kreuz und quer Richtung Hauptbahnhof gelaufen bin. Ich kam zufällig an der Metrostation "Rokin" vorbei. U-Bahn-Stationen finde ich immer sehr spannend. Ohne zu wissen was mich dort erwartet, ging ich hinunter. An den Gleisen entdeckte ich verschiedene interessante Wandgemälde, unter anderem dieses hier. Auf Anhieb kam mir ein Bild in den Kopf: jemand geht so am Regenschirm entlang, dass es ausschaut er nutze diesen bzw. stehe darunter. Ich musste nich lange warten bis ich dieses Bild im Kasten hatte. Das Foto wurde vom "Eye-Photo Magazine" in der September Ausgabe als "Eye-catching Moment" ausgewählt und diente sogar als Column Cover für diese Rubrik im Heft. Hier könnt ihr nochmals genaueres dazu nachlesen.
Platz 4:
Als ich im Sommer für einen Tag von Köln aus nach Frankfurt gefahren bin, um mich dort mit Stefan Lauterbach zu treffen, war es mega heiß. Wir starteten gegen 11:30 Uhr am Hbf. Nicht die beste Idee in der Mittagshitze Streetfotos zu machen. Wir gingen ins Bankenviertel, da ich vorher noch nie in Frankfurt war und "Mainhattan" einmal hautnah sehen wollte. Ich entdeckte vor dem Commerzbankgebäude einen Lichtstrahl, welcher durch die Hochhäuser fiel. Ich hatte die Idee ein nettes Schattenbild zu machen. Nach einigen Minuten sah ich eine Frau mit Rock auf uns zu kommen. Ich komponierte das Bild so, dass der Schatten das Hauptmotiv war. Die Frau ging an uns vorbei, ich drückte mehrmals auf den Auslöser. Ich wusste auf Anhieb, dass ein guter Shot dabei war. Also schnell aufs Display gestarrt und ich war begeistert von diesem Bild. Ich wurde im amerikanischen Street Photography Magazine in der September-Ausgabe mit diesem Bild zusammen mit 4 weiteren Fotografen zum "Streetshooter of the month september" ausgewählt.
Platz 3:
Ein weiteres Foto aus der italienischen Kleinstadt Brixen. Ich spazierte mit meiner Frau durch die Gassen dieser wunderschönen Kleinstadt, passierte den Fluss über die Brücke, weg von den Touristen und hinein ins Wohngebiet der Einheimischen. Mir fiel sofort diese Kreuzung ins Auge. Der Schatten auf dem Boden vorne zog zunächst die Aufmerksamkeit auf mich. Anschließend fielen mir die tollen Gebäude im Hintergrund auf. Ich ging ein wenig in die Hocke, komponierte mein Bild und musste nun noch warten. Viel Publikumsverkehr war hier nicht. Nach einigen Minuten sah ich von links eine Mutter mit ihrem Kind ankommen. Ich war froh, dass jemand in mein Bild laufen würde. Genau in dem Moment, als sie in meinen Ausschnitt traten, verweigerte das Kind etwas den weiteren Gang hinauf. Die Mutter "zog" das Kind hinter sich her. Zur gleichen Zeit trat das andere Pärchen von rechts in den Schatten meines Bildausschnittes und formte eine wunderbare Silhouette. Ich musste nur noch abdrücken. Ein Glücksgefühl machte sich in mir breit. Ich lud dieses Foto später in die Facebook-Gruppe des englischen Straßenfotografen Gareth Danks hoch. Er wählte das Bild für sein selbst publiziertes Straßenfotografie-Magazin "F/8" aus und schrieb mich an. Es erschien mit weiteren tollen Streetfotos in der zweiten Ausgabe dieses großartigen Magazins. Mehr dazu hier.
Platz 2:
Ich liebes dieses Bild. Es hängt in einem kleinen Rahmen direkt über meinem Bildschirm im Büro und ich finde es immer noch großartig. Im Mai war bereits Sommerfeeling angesagt in Hamburg. Es war der zweite Besuch in Hamburg nach dem ersten Lockdown und die Menschen trauten sich wieder vermehrt auf die Straßen. Ich startete wie gewohnt meinen Walk am Hbf, ging Richtung Saturn die Treppe hoch und entdeckte bereits dort den Schattenwurf des Geländers. Also ging ich auf die andere Seite und schaute über das Geländer. Ich probierte einige Perspektiven aus und bemerkte dann diesen jungen Herren halb im Schatten, halb in der Sonne. Ein wenig Wartezeit musste ich einplanen, bis er seine Zigarette in den Mund steckte und der Rauch sichtbar wurde. Klick! Anschließend wählte ich den Bildausschnitt so, dass der Verlauf des Schattens von rechts oben nach links unten verläuft und der Mann von links aus gesehen in etwa auf dem ersten Drittel des goldenen Schnitts liegt. Ich glaube dieses Foto werde ich mir noch in groß ausdrucken!
Platz 1:
Meine absolute Nummer 1! Am zweiten Tag unseres Berlin Trips liefen wir einigermaßen planlos umher. Ich wollte allerdings unbedingt noch zur Museumsinsel, denn ich erhoffte mir, mit den interessanten Gebäuden dort, etwas spannendes vor die Linse zu bekommen. Wir gingen also am Spreekanal, einem kleinen Nebenarm der Spree, entlang. Als wir die James-Simon-Galerie passierten, sah ich zunächst auf der anderen Seite der Spree ein großes Fenster, in dem eine Frau saß, halb im Schatten halb in der Sonne. Das 23mm Objektiv war viel zu weitwinklig. Ich entschied mich schnell auf mein 55-200mm Objektiv umzusatteln. Genau in dem Moment stand die Frau auf. Na toll! Wir gingen dann ein bißchen weiter, als ich diese beiden Personen auf der Treppe sitzen saß. Diesmal war das Objektiv ja bereits drauf, also konnte ich in aller Seelenruhe die Situation beobachten. Als eine der Frauen nach unten ging, kam mein Moment. Ich drückte ab und war sofort begeistert. Ein super minimalistisches Motiv mit einem tollen Schattenwurf des Geländers an einer nahezu weißen Wand. Dazu ein Pärchen (so wirkte es jedenfalls) welches etwa fünf Meter von einander entfernt sitzt und die hintere Person starrt gedankenverloren nach vorne ins Leere. Ich liebte dieses Bild auf Anhieb. In der Nachbearbeitung kam etwas Kontrast hinzu, das Foto wurde etwas heller gezogen und einige ablenkende schwarze Flecken an der Wand entfernt und fertig war mein Shot des Jahres 2020. Dieses Bild hängt groß hinter Acrylglas im Flur unserer Wohnung.
Bei der Auswahl der Bilder fielen mir im Nachhinein mehrere Sachen auf:
1. 9 von 10 Bildern sind mit meinem 23mm Objektiv gemacht worden. Dies verwundert mich nur wenig, denn zu 99% habe ich dieses Objektiv drauf, wenn ich durch die Straßen ziehe. Mein Lieblingsbild ist aber mit dem 55-200mm Objektiv entstanden. Gut, dass ich dieses Objektiv dabei hatte!
2. 6 Bilder sind mit starken Licht-Schatten-Spiel und überwiegend sehr minimalistisch. Auch das verwundert mich nicht wirklich, denn ich merkte bereits im Verlaufe meines fotografischen Prozesses, dass mich diese Bilder am meisten anziehen.
3. 3 von 10 Bilder sind in Farbe! Das hat mich wirklich überrascht, denn ich wandele bestimmt mehr als 95% meiner Bilder in Schwarz-Weiß um. Außerdem waren noch zwei weitere Bilder in Farbe in der näheren Auswahl für die Top 10. Ich bin gespannt wie es, auf dieses Thema bezogen, 2021 laufen wird.
4. Alle Bilder entstanden in Städten, die ich gezielt zum Schießen von Streetfotos ausgewählt hatte. Das viele Reisen hat sich also gelohnt, wenn man die Auswahl der Bilder betrachtet.
Ich bin gespannt wie ich mit etwas Abstand diese Liste bewerten werde und welche Bilder es 2021 in meine Top 10 schaffen werden.